15. & 19. November 2018
Cape Canaveral, Florida, USA
Im November 2018 buchte ich einen Ferienausflug für knapp drei Wochen nach Florida. Neben den klassischen Sehenswürdigkeiten, wie dem Everglades Nationalpark oder den Florida Keys wollte ich unbedingt auch den Weltraumbahnhof Cape Canaveral besuchen gehen.
Die Raumfahrt im Allgemeinen hatte schon seit meiner Kindheit eine enorm grosse Anziehungskraft auf mich, und das Space Shuttle war für mich damals der Innbegriff von High-Tech (was es auch war) welches ich unbedingt einmal sehen wollte. Als das erste Shuttle ins All flog, war ich gerade einmal 3 ½ Jahre alt und kann mich deshalb an dieses Ereignis verständlicherweise nicht mehr erinnern. Die Challenger-Katastrophe von 1986 ist mir allerdings, als eine der ersten internationalen Ereignisse überhaupt, bleibend in Erinnerung geblieben.
Als ich meine Ferien 2018 endlich antreten konnte, war es für mich bezüglich der Space Shuttle leider zu spät, denn der Orbiter wurde sieben Jahre zuvor ausgemustert.
Nichtsdestotrotz, wollte ich dem berühmten Weltraumbahnhof und seinem Museum einen Besuch abstatten. Zudem versuchte ich, unseren Besuch auf ein Raketenstartdatum zu legen. Auch wenn es nicht eine Saturn V oder eine Atlantis sein würde, so wäre dieses Erlebnis doch sicherlich sehr spannend und eindrücklich. Tatsächlich war in dieser Zeit ein solcher Start mit einer Falcon 9 geplant und dementsprechend plante ich meine Reise. Am 13. November -ich war gerade in Miami angekommen- erhielt ich die Meldung, dass der Start vom ursprünglich geplanten 16. auf den 15. November vorverlegt wurde. Somit kürzten wir unseren Miami-Besuch auf einen Tagesausflug ab, und fuhren am darauffolgenden Tag gen Norden.
15. November 2018
Die Öffnung des Museums war um 9:00 Uhr und der Start war auf 15:00 Uhr angesetzt gewesen.
Da wir um 5:00 Uhr in Miami abgefahren waren, trafen wir genau um 8:55 Uhr im Cape ein. Vor der Kasse erklang zuerst die Nationalhymne, bei der alle Besucher strammstehen, die rechte Hand auf der Brust, und innbrünstig mitsangen. Welcome in the United States… Ich stellte mir unweigerlich vor, wie das wohl bei uns ankäme, wenn man z.B. beim Verkehrshaus Luzern oder beim Flieger Flab Museum in Dübendorf jeden Morgen unsere Hymne abspielen würde.
Da wir planten zweimal herzukommen, kam es uns tatsächlich schon günstiger einen Jahrespass zu lösen, an Stelle zwei Mal einen Eintritt zu bezahlen.
Das Museum besteht aus zwei Bereichen. Der Erste, bei dem auch der Haupteingang ist, behandelt alle möglichen Themen, vom Beginn der US-Raumfahrt bis in die geplante Zukunft mit den Koloniegründungsprojekten auf unserem Mond und dem Mars. Mit einer Ausnahme; das gesamte Apollo Programm (erste Mondlandung), befindet sich in einem separaten Teil vom Cap, gleich neben der Aussichtsplattform für die Raketenstarts, welche nur mit einem Shuttlebus zu erreichen ist.
Sightseeing mit dem Tourbus
Da ich vor allem diesen Start nicht verpassen wollte, fuhren wir also umgehend mit dem Shuttlebus zu der Aussichtsplattform und dem separierten Apollo-Museum. Natürlich nicht direkt, zuerst gab es eine eindrucksvolle Sightseeing-Tour über das ganze Gelände. Uns wurde das Vehicle Assembly Building gezeigt, welches auch kaum zu übersehen war. Darin werden die Raketen auf den Crawler gesetzt und anschliessend zur Startplattform gefahren. Danach fuhren wir bis zur Startplattform LC-39B von wo auch u.a. die Space Shuttle gestartet wurden. Die Areale werden von hohen Zäunen geschützt, um den Alligatoren das betreten der Anlage zu verhindern. Zu unserem Erstaunen erklärte der Guide, dass diese Tiere sehr gute Kletterer seien und diese Zäune für sie nur ein mässiges Hindernis wären.
Saturn V / Apollo-Museum
Nach unserer umfangreichen Busfahrt wurden wir vor dem Apollo / Saturn V Center ausgeladen. Der Eingang des Museums führt zuerst in eine Wartehalle. Als sich die Türen öffneten, konnte man auf einer Tribüne Platz nehmen und vor uns war der exakte Nachbau der Saturn V Mission Control aufgebaut gewesen. Dann begann eine wirklich spannende Show, bei der gezeigt wurde, wie die Abläufe eines solchen Starts vor sich gingen. Vom Einschalten der Stromaggregate über das Herunterzählen des Countdowns bis zur Abkoppelung der Rakete vom Turm, wurde alles gezeigt. Dabei hört man die einzelnen Stimmen der Operateure wie auch jene der Astronauten an Bord der Saturn V. Die Plätze der Operateure waren natürlich unbesetzt und deshalb wurde mit einem Scheinwerfer der entsprechende Platz erhellt, von welchem gerade etwas betätigt oder gesprochen wurde. Als die Rakete dann startete, dröhnte der ganze Saal ohrenbetäubend. Ich habe keine Ahnung, wie viel Watt Leistung diese Lautsprecher haben mussten, aber sie gaben einen realistischen Eindruck, wie die grösste Rakete der Welt geklungen haben musste, wenn sie von der Erde ins All abhob.
Als die Show zu Ende war, öffnete sich die Türe und vor uns präsentierte sich liegend die unterste Stufe der Saturn. Wir sahen direkt in die fünf riesigen Wasserstoffbooster hinein. Danach bewegten wir uns parallel zur Rakete entlang bis zur Spitze und studierten die diversen Ausstellungsobjekte. Das „Ding“ ist sehr eindrücklich. Die schiere Grösse lässt einem nur schwer vorstellen, dass man damit tatsächlich fliegen konnte. Die unglaubliche Masse senkrecht in den Himmel bewegen zu können, benötigt so unglaublich viel Energie, die man sich als „Normalsterblicher“ fast nicht vorstellen kann.
Neben der Saturn V ist auch echtes Mondgestein, diverse Astronautenanzüge, eine verrusste Landekapsel und ein ganzer Mondlandesimulator ausgestellt.
Auch ein Restaurant ist im Komplex noch untergebracht. Die NASA hat mich dabei etwas gelehrt; sie mögen revolutionäre Technologien entwickeln können welche uns ins Staunen versetzten, aber vom Kochen haben sie definitiv keine grosse Ahnung. Das bedauernswerte, kalte und flache Irgendetwas, welches ich damals in Händen hielt, wurde vom Restaurant hoffnungsvoll als „Hamburger“ angepriesen. Obwohl ich Burger liebe, so war dieses "Ding" schlichtweg ungeniessbar. Ich empfehle deshalb jedem Besucher: nehmt die Verpflegung selber mit. Nicht um Geld zu sparen, sondern um etwas Anständiges in den Bauch zu bekommen.
15:00 Uhr
Falcon 9 Start
Ungefähr zwei Stunden vor dem Start wurde die Zuschauerplattform geöffnet und wir strömten nach draussen und suchten uns einen guten Sitzplatz aus.
Obwohl bis dahin alles planmässig abzulaufen schien, erklärten uns die Mitarbeiter immer wieder, dass der Start jederzeit abgesagt werden könnte. Die Chancen, dass ein Start wirklich wie geplant durchgeführt werden würde, standen immer etwa 50/50. Es konnte also gut sein, dass 5 Sekunden vor dem Start die ganze Übung abgeblasen werden konnte.
Zu meiner Überraschung war es sehr frisch. Tags zuvor waren wir in Miami bei ungefähr 30°C, und jetzt bliess uns ein 18°C. kalter Wind um die Ohren. Eine Jacke hatten wir mit dabei, unglücklicherweise lag diese aber im Auto auf dem Besucherparkplatz und nützte uns deshalb nicht besonders viel.
Was mir aber wesentlich mehr Sorgen bereitete war die tief liegende, geschlossene Wolkendecke. Das Wetter musste nicht unbedingt ein Hinderungsgrund für den Start sein, aber es wäre wirklich zu schade gewesen, wenn die Rakete nach wenigen Sekunden Flugzeit in die Wolkendecke eintauchte und sich unserer Blicke entziehen würde.
Also begann das Warten in der Kälte. Die Falcon 9 stand auf der Plattform, von uns aus gesehen hinter dem Turm. Da die Falcon eine kleine Rakete ist, konnte ich sie deshalb nicht einmal richtig sehen.
Doch dieses Mal schien es Petrus gut mit mir zu meinen, denn nur etwa 20 Minuten vor dem Ablauf des Countdowns öffnete sich vor uns die Wolkendecke und ein blauer Himmel kam zum Vorschein! Der Countdown zählte rückwärts bis auf Null und die Rakete zündete. Eine weisse Wolke schoss links und rechts vom Turm hervor und langsam erschien die Spitze der Falcon 9 über dem Turm. Die ersten ca. 5 Sekunden waren völlig geräuschlos. Auch der Schall hat eine Geschwindigkeit und benötigte eine gewisse Zeit, bis er die ca. 10km bis zu uns zurückgelegt hatte.
Als dieser uns erreichte, war der Lärm ohrenbetäubend! Obwohl die Falcon nur mit einem Booster ausgestattet war und im Verhältnis zu anderen Raketen eine kleine Version war, so war das Getöse trotzdem sehr eindrücklich! Nicht vorzustellen, wie das Space Shuttle oder die Saturn Raketen geklungen haben mussten.
Die Falcon hob ab und flog genau durch das blaue Loch im Himmel und stieg, bis wir sie von blossem Auge nicht mehr sehen konnten. Ansonsten war rund um uns herum immer noch die geschlossene Wolkendecke, die sich in den darauffolgenden 20 Minuten tatsächlich auch wieder komplett schloss. Es war der perfekte Zeitpunkt für den Flug gewesen und ich kann es jedem nur empfehlen, einen solchen Start einmal in natura mitzuerleben. Die ganze Mission verlief planmässig und problemlos.
19. November 2018
Rückreise und zweiter Besuch
Nach dem Start fuhren wir zurück zum Kennedy Space Center Museum und anschliessend weiter nach Orlando. Allerdings besuchten wir das Museum -wie vorgängig erwähnt- am 19. November noch ein zweites Mal, denn all die anderen Exponate wollte ich zwingend auch noch sehen!
Rückblickend muss ich sagen, dass auch zwei ganze Tage nicht genügen, um alles zu sehen. Wenn man sich wirklich Zeit nehmen will, um alles in Ruhe anzuschauen und nicht nur die wichtigsten Highlights herauspicken will, sind zwei Tage nicht genug. Nichtsdestotrotz habe ich doch sehr viele Eindrücke auf- und auch mitnehmen können. Irgendwann kommt man aber an einen Punkt, bei dem man nichts mehr Neues aufnehmen kann, weil es zu viele Eindrücke sind, die man zu verarbeiten und speichern hat.
Space Shuttle Atlantis
Das wichtigste Ausstellungstück war für mich -und das ist nicht gross verwunderlich- das Atlantis Museum, welches zu diesem Zeitpunkt noch ziemlich neu war. Um ins Space Shuttle Atlantis Appartement zu gelangen kann man zwischen den mächtigen Booster-Paar und dem Tank hindurchgehen, welches vor dem Eingang senkrecht aufgestellt ist. Auch hier erfüllt einem das überdimensionierte Fluggerät mit Ehrfurcht. Die beiden relativ schlanken Booster müssen den orangenen Tank senkrecht starten und ins All befördern, dazu zusätzlich noch mit einem Orbiter von fast 110 Tonnen Gewicht darauf montiert. Zugegeben, das Shuttle produziert selber auch noch über 5MN Startschub. Trotzdem ist es -zumindest für mich- sehr eindrücklich und schwer zu glauben, dass so etwas überhaupt fliegen kann. So hat doch das ganze System ein Startgewicht von mehr als 2000 Tonnen! Das entspricht in etwa dem Gewicht von fünf voll beladenen Jumbo Jets, welche senkrecht ins All geschossen werden sollen.
Hat man den Eingang passiert geht es spiralförmig aufwärts bis man in einen Warteraum gelangt, der mit Vorhängen ausstaffiert ist. Auf diesen werden mit Beamern die Geschichte der Space Shuttle gezeigt. Ist die Show zu Ende, wird das Licht im Raum ein wenig gedimmt und hinter dem Hauptvorhang erscheint die echte Atlantis, die zuvor nicht zu sehen gewesen war. Auch dies ist ein eindrücklicher Moment und zeigt, wie gross diese Orbiter wirklich waren.
Die Atlantis hängt leicht geneigt in dem Raum, das Frachttor geöffnet, so dass man einen hervorragenden Blick in die voluminöse Ladebucht hat. Rund um das Shuttle sind weitere Exponate ausgestellt, wie eine Kopie des Hubble Teleskops, oder ein ganzer Booster des Shuttles. Auch die Hitzekacheln, welche den Orbiter vor dem Verglühen beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre schützt, sind dort ausgestellt. Wer sich dafür interessiert, dem ist dieses Museum wärmstens zu empfehlen!
Kinofilm und Vorträge
Es werden auch diverse Filme in verschiedenen Kinos -zum Teil 3D- gezeigt und Livevorträge von echten NASA-Astronauten gehalten. Diese waren für mich besonders spannend und der persönliche Austausch mit diesen Veteranen ist besser als jeder 3D Film. Ich durfte einen Vortrag von Astronaut Jon McBride besuchen mit anschliessender Fragestunde; es war unbezahlbar.
Weitere Ausstellungsthemen
Der Raketengarten, welcher schon vom Parkplatz aus nicht übersehen werden kann, ist natürlich ein weiteres Highlight. Es stehen dort viele -aber längst nicht alle- Raketen, die die NASA über die Jahre geflogen und eingesetzt hatte. Die Saturn 1b liegt allerdings, da sie vermutlich zu gross zum Aufstellen ist. Sie ist immer noch ein ganzes Stück kleiner als die Saturn V, aber im Vergleich zu den Mercury- und Gemini-Raketen immer noch riesig.
Auch die United States Astronaut Hall of Fame ist sehenswert.
Etwas im Abseits steht das Space Mirror Memorial auf dem (bis jetzt) 24 Namen tödlich verunglückter Astronauten aufgelistet sind. Es ist noch viel Platz frei, für weitere Namen, doch hoffen wir alle, dass es bei diesen bleiben wird und niemand mehr den ultimativen Preis und das grösstmögliche Opfer für die Raumfahrt zu bezahlen hat.
Die zwei Tage am Cape waren, trotz meiner hohen Erwartungen, absolut grossartig gewesen. Würde ich in ferner Zukunft wieder einmal nach Florida reisen, dann wäre ein Besuch im Kennedy Space Center für mich bestimmt schon fest ins Programm eingeplant.